Eine Führung durch das neu konzipierte Rathaus Duderstadt

Am 23.4.2016 fand eine Führung durch das 2012 neu eröffnete Duderstädter Rathaus statt. In dem ehemaligen Studienrat Rainhard Hauff, einem der Konzeptplaner der neuen Ausstellung, bekam die Gruppe einen äußerst kompetenten Führer, der zusätzliche Informationen bereithielt.
Zunächst zum Rathaus als solchem. Bei diesem handelt es sich um eins der ältesten Rathäuser Deutschlands, entstanden aus vielen Einzelgebäuden diverser Epochen. Heute zeigt es sich jedoch als eine Einheit. Auf einem Sandsteinsockel entstand zuerst 1302 ein sog. Kophus, also Kaufhaus, mit Halle im Erdgeschoss sowie einem Bürgersaal bzw. Festsaal für Empfänge. Nach einem Stadtbrand wurde 1432 das ursprüngliche Rathaus an der südöstlichen Ecke ersetzt durch einen Kaufhausanbau mit Ratsstube, Gericht, Archiv und Ratsweinkeller. Um 1530 kamen die Laube und die Fachwerkgeschosse dazu, wobei die zweigeschossige Laube errichtet wurde, um die Fassade zu tragen. Das Gebäude zeigt im Fachwerk einen „ganzen Mann“ sowie mehrere „halbe Männer“ und besitzt drei Türme mit Giebeln und Erkern. An der Renaissance-Treppe aus den 1670er Jahren erblickt man drei lebensgroße Figuren mit den Wunsch-Eigenschaften der Ratsherren, so z. B. die Justitia ohne Augenbinde für eine Rechtsprechung „sehenden Auges“. Neben dem Rathauseingang hängt noch die alte Duderstädter Elle als damals genormte Maßeinheit. Eine Besonderheit ist das Glockenspiel von einem der Türme, von 9 – 19 Uhr alle zwei Stunden. Es ertönt das Lied „Mein Duderstadt am Brehmestrand“.
Blick aus dem heutigen Aussichtsturm

Blick aus dem heutigen "Aussichtsturm"
Von 1982-85 kam es zu einer umfangreichen Restaurierung. Durch fehlerhafte Behandlung des Holzes und den Einsatz falscher Lacke traten jedoch in der Folge schwere Schäden auf. Im Jahr 2000 wurden Fäulnisschäden an Deckenbalken und Fachwerk festgestellt. Einige faulende Balken mussten ersetzt werden. Somit kam es 2011 und 2012 zu einer kompletten Sanierung, wobei man verborgene Balken sichtbar gemacht hat. Von Keller bis Turmgeschoss sind neun Etagen zu besichtigen, und die überall angebrachten gelben Pfeile sind ein gutes Leitsystem. Dennoch wandert man zwischen den diversen Einzelgebäuden umher, und gerade in den unteren, also älteren Stockwerken, geht es recht verwinkelt zu. Im jetzt teilweise barrierefreien Gebäude gibt es neben der Tourist-Info im Erdgeschoss auch Stadtbücherei und Trauzimmer.   
Die Führung beginnt unten in der ehemaligen Kaufhalle. Dort ist noch die alte Kophus-Außenmauer erkennbar mit den sog. Blinddurchgängen, die letztendlich nicht benötigt wurden. Anschließend betritt man die historische Branntweinstube, wo sich heute der Fahrstuhl befindet, um den Rundgang entsprechend der Konzeption oben unter dem Dach zu beginnen und ihn unter der Erde zu beenden. Im Dachgeschoss - unter den freiliegenden Balken von zwei verschiedenen Dachstühlen aus dem 14. und 16. Jh.  - , geht es thematisch um den Bau dieses Rathauses ebenso wie um den Beginn der Duderstädter Stadtgeschichte. Außerdem ist hier, digital aufbereitet, das Duderstädter Häuserbuch ausgestellt. Der Besucher kann anhand von Namen oder Hausnummern die Geschichte der einzelnen Häuser der Innenstadt erkunden.
Fassade mit Außentreppe
Fassade mit Außentreppe
Weiter geht es hinauf auf steilen Treppen in den höchsten der drei Rathaustürme, welchen man ebenfalls 2012 zu einem Aussichtsturm ausgebaut hat, mit einem entsprechend weitläufigen Blick auf die Stadt samt Umgebung. Auf dem Weg dorthin passiert man ein „Mini-Naturschutzgebiet“, nämlich den Wohnort einer „Mausohr-Kolonie“ hinter einer Tür. Im Sommer wohnen hier bis zu 500 Tiere. Durch kleine Fenster sind zudem ausgestopfte Fledermäuse der Gattung „Großes Mausohr“ im Detail zu betrachten. Folgt man den gelben Wegweiser-Pfeilen, geht es ab jetzt wieder abwärts, und im Stockwerk darunter gelangt man zum Thema „Duderstädter Schützengesellschaft“, welche in der Stadtgeschichte einen altehrwürdigen Platz einnimmt. Im Stock darunter, mittlerweile dem ersten Obergeschoss, liegt der Rathaussaal, der leider nicht zu besichtigen war. Wiederum darunter, jetzt wieder auf Erdgeschosshöhe, befindet sich ein Innenhof hinter einer Mauer, an welche im 18. Jh. eine Art Arrestzelle angebaut worden war. In diesem Hof, wo in einem Quergebäude im ersten Obergeschoss früher Bedienstete untergebracht waren, sind seinerzeit die Folterungen durchgeführt worden.
Von hier aus führen Stufen in den Keller. Zunächst betritt man die Salzkammer, wo das extrem wertvolle Salz gelagert wurde, ursprünglich nur vom Kophus aus zugänglich. In diesem Bereich befand sich auch das Archiv- und Kämmereigeschoss, das nach dem Stadtbrand 1432 mit massiven Trennwänden, vergitterten Fenstern und abschließbaren Zellen errichtet wurde für den kostbarsten Besitz: Urkunden und Finanzkapital. Hier liegt die „Viermannenstube“, so benannt, weil in diesem Gewölbe die städtischen Kassen lagerten, zu denen die Viermannen, Vertreter der Gilden, die Schlüssel besaßen. Durch „Graffiti“ hat man diese Gewölbe einst für Gefängniszellen gehalten, aber die Namenszüge an den Wänden stammen von den besagten Viermannen. Wiederum über eine steile Treppe geht es weiter in die Unterwelt, nämlich in den alten Ratsweinkeller mit Tonnengewölbe, Ort der Geschichte des Duderstädter Brauwesens. Von dort aus geht es wieder zurück in die alte Kaufhalle im Erdgeschoss. Von hier aus erreicht man den letzten Raum, ein fast fensterloses Gewölbe, 1350 vom Kophus abgetrennt. Auch hier haben wir einen Aktenraum vor uns, einen weiteren  feuersicheren  Urkundenkeller. Im Zuge der Neukonzeption der touristischen Nutzung des Rathauses hat man hier in Anlehnung an die alte Duderstädter Gerichtsbarkeit die Inszenierung einer „historischen Folterkammer“ eingerichtet.

Heike Grobis